Historische Jesuitenbibliothek

 

 

Ausgehend von Stucksaal und der 2015 eröffneten Wunderkammer wurde in den historischen Räumlichkeiten der Staatlichen Bibliothek im ehemaligen Jesuitenkolleg die 1612 gegründete Jesuitenbibliothek als ideale Schau- und Lehrsammlung des 17. bis 19. Jahrhunderts rekonstruiert. Auf 400qm Fläche finden sich neben Stucksaal und Wunderkammer nun ein Architekturkabinett mit historischen Korkmodellen antiker Gebäude, ein Antikensaal mit Abgüssen wichtiger griechisch-römischer Skulptur sowie ein physikalisches Experimentierkabinett.
     In einer Zeit, in der die digitale Allverfügbarkeit des Wissens eine Selbstverständlichkeit zu werden beginnt, scheint es wichtiger denn je, daran zu erinnern, dass alles Wissen eine Geschichte hat und es kein Wissen gibt ohne Wissenskultur, eine Selbstverständigung der Gesellschaft über die Mittel und Wege des Wissenserwerbs, die Auswahl des zu Bewahrenden und vor allem über die Stellung und Rolle des Menschen inmitten dieses Wissenskosmos‘.

Führungen sind nach vorheriger telefonischer Anmeldung (0851/756440-0) während der Öffnungszeiten möglich.

 

 

 

 

Die Wunderkammer hat ihre Wurzeln in der Renaissance, im erforschenden Zugriff auf die Welt vor der Herausbildung der unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Man sammelte, was immer man an Bemerkenswertem fand, aus den Bereichen Natur, Kunst und Wissenschaft, hinzu kamen Zeugnisse fremder Kulturen. Anhand der gedrängt dargebotenen Objekte wurde nachgedacht über zugrundeliegende Prinzipien und Kräfte, oft im Dialog mit den Besuchern dieser ursprünglich rein privaten Sammlungen. Die Wunderkammern boten nämlich nicht fertig aufbereitetes Wissen zum Konsum – wie später die Museen –, sondern waren vielmehr Labore, in denen dieses Wissen erst entstand.
     Möglicherweise gab es im 1612 gegründeten Passauer Jesuitenkolleg eine solche Wunderkammer, einige Hinterlassenschaften im Besitz der Staatlichen Bibliothek deuten darauf hin. Die intensive Forschungs- und Lehrtätigkeit der Passauer Jesuiten war jedenfalls für Stadt und Region von größter Bedeutung, als augenfälligstes Merkmal bezeugt heute noch die Observatoriumskuppel auf dem Gebäude des ehemaligen Jesuitenkollegs, des heutigen Gymnasiums Leopoldinum, den hohen wissenschaftlichen Anspruch der Geistlichen. Auch, um dieses Wirken wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken, wurde nun in den historischen Räumlichkeiten der Staatlichen Bibliothek im ehemaligen Passauer Jesuitenkolleg als Dauerausstellung eine Wunderkammer eingerichtet, wie sie unter den Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert dort existiert haben könnte.
     Ermöglicht wurde dieses Projekt durch großzügige Unterstützung verschiedenster Institutionen, vor allem aber durch die Dauerleihgaben dreier großer Häuser:


Bayerisches Nationalmuseum, München: Erdglobus und Himmelsglobus aus der Werkstatt Vincenzo Coronellis (Ende 17. Jh.), Durchmesser je 1,08 m, gehören zu den prächtigsten Globen, die je geschaffen wurden – zu sehen sonst nur in den großen Nationalbibliotheken. Außerdem Dauerleihgabe von wissenschaftlichen Instrumenten des 16. bis 18. Jahrhunderts sowie zweier venezianischer Bronzefiguren aus der Zeit um 1600.

 

Museum Fünf Kontinente, München (vormals Völkerkundemuseum): Dauerleihe von über 50 historischen Objekten aus China und Japan, den wichtigsten Gebieten der Jesuitenmission, die zum Teil beredte Auskunft über den künstlerischen und wissenschaftlichen Einfluss der Jesuiten dort geben. Darunter eine Vase aus dem Privatbesitz eines chinesischen Kaisers des 17. Jahrhunderts, eine Specksteinschnitzerei des 14. Jahrhunderts und eine kunstvolle Widmungskalligraphie eines chinesischen Kaisers an einen Jesuitengelehrten.

 

Staatliche Antikensammlung und Glyptothek, München: Dort hat man einer Dauerleihe von zehn herausragenden Stücken der Passauer Sammlung Thun zugestimmt, die nach ihrer Präsentation in der Sonderausstellung im Kastell Boiotro 2003 nun dauerhaft in Passau zu sehen sein werden.

 

Wichtige Beiträge leisteten auch verschiedene Hauptzollämter durch die Bereitstellung von beschlagnahmten Tierpräparaten sowie einige kleinere Naturkundesammlungen. Das Institut für aquatische Wildtierforschung in Büsum stellte einen Schweinswal zur Verfügung, dessen Skelett präpariert wurde. In Japan konnte durch besondere Kontakte ein ausgefallen großes Exemplar der japanischen Riesenkrabbe erworben werden, mit 3,20 m Spannweite ist sie das größte öffentlich ausgestellte Präparat dieser Art in Deutschland.

 

 

 

 

 

 

 

Eine Wunderkammer für Passau

Bericht über die Wunderkammer in der Abendschau vom 22.01.2016
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